Hannelore Fobo

Evgenij Kozlov «Miniaturen im Paradies» 1995 Seite 3




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Евгений Козлов / Evgenij Kozlov Миниатюры в Раю / Miniatures in Paradise / Miniaturen im Paradies


Die 16 Miniaturen

Wie die Rottweiler Fahne sind die großen Miniaturen ausschließlich mithilfe von Schablonen hergestellt. Evgenij Kozlov verzichtete zugunsten der grafischen Wirkung auf zusätzliche malerische Stilmittel, wie sie bei den mittleren Miniaturen zur Anwendung kamen. Jeder Miniatur entsprechen wieder zwei Drucke, der erste kräftiger, der zweite durchscheinender. Da das Papier nur 160 cm breit lag, der Stoff aber 200 cm, mussten wir zusätzliche Randstreifen ankleben, aus Gründen der Symmetrie an beiden Seiten.

Евгений Козлов Ханнелоре Фобо / Evgenij Kozlov und Hannelore Fobo Miniature No. 14, 1995

(E-E) Evgenij Kozlov, Hannelore Fobo
Miniatur Nr. 14, studio Russkoee Polee, 1995

Der gesamte Zyklus der großen Miniaturen besteht aus 58 Arbeiten: 16 Miniaturen auf Stoff, 16 Erstdrucke auf Papier, 16 Zweitdrucke auf Papier, 10 Schablonen. Für die Gonfanonen standen Fahnenstoffe in vier verschiedenen Farben zur Verfügung: weiß, goldgelb, gelbgrün, blau. Der Künstler wählte den Stoff und den Farbauftrag entsprechend der Inspiration, die er mit den Motiven vermitteln wollte. Dies ist besonders offensichtlich bei den ersten zwölf Miniaturen, die paarweise gestaltet wurden: jeweils zwei Miniaturen teilen sich ein Motiv in unterschiedlicher Ausführung, einer „weiblichen“ und einer „männlichen“. Diese „Paare“ sind nicht nur verschiedenfarbig und zueinander spiegelbildlich, beziehungsweise versetzt angeordnet. Durch die farbliche Gestaltung und das veränderte Auflegen der Schablonen können sich innerhalb eines „Paares“ auch unterschiedliche horizontale und vertikale Schwerpunkte ergeben. Zum Beispiel wirken zusätzliche Dreiecke, auf die Spitze eines gleichschenkligen Dreieicks gelegt, wie Pfeile und rufen eine Richtungsänderung des kompositorischen Aufbaus hervor. Man sieht dies beim Vergleich der Miniaturen 5 und 6.

Die Miniaturen 13, 14 und 15 sind Einzelmotive. Die 16. und letzte Miniatur trägt den Titel der Ausstellung und den Namen des Künstlers. Mit Ausnahme dieser letzten Miniatur sind die Originaltitel alle russisch und werden im Text in ihrer deutschen Übersetzung verwendet. Die Nummer ist jeweils Teil des Titels. Ein kompletter Titel wäre beispielsweise Miniatur Nr. 10: Der Spiegel der Lufterscheinung. Damit sie besser lesbar sind, wurden in der Regel im Text nur die eigentlichen Bezeichnungen kursiv geschrieben.

 

Miniature No. 1, Сон приходит в Небе. Der Traum erscheint im Himmel. The dream appears in Heaven.
Miniature No. 1
Сон приходит в Небе.
Der Traum erscheint im Himmel.
The dream appears in Heaven.
Miniature No. 2, В раю Яблоки как Звезды. Im Paradies sind Äpfel wie Sterne. In paradise the Apples are like Stars.

Miniature No. 2
В раю Яблоки как Звезды.
Im Paradies sind Äpfel wie Sterne.
In Paradise the Apples are like Stars.

Für Miniatur 1 und 2 verwendete Evgenij Kozlov das bereits besprochene Motiv des Mannes, der die Frau in Schwebe hält. Anstelle der Wolke sehen wir hier eine Sonne. Eine weitere Änderung ergibt sich in der Art und Weise, wie die hochgestreckten Arme sich berühren. . Sie überkreuzen und berühren sich diagonal wie das Schicksal der Körper, ein Scherengitter oder ein Kreuz. Die v-förmige Öffnung der Arme nach oben bildet eine Art Behältnis, das die Sonne umfasst wie die Blüte den Blütenstempel. Den unteren Abschluss finden die beiden Miniaturen in der Stadtsilhouette St. Petersburgs. Miniatur Nr. 1 Der Traum erscheint im Himmel ist blau auf gelb ausgeführt, Miniatur Nr. 2 Im Paradies sind Äpfel wie Sterne rot auf weiß, dabei seitenverkehrt in Bezug auf die erste Miniatur.

Miniature No. 3, Красный Пункт. Приятный и магический. Der Rote Punkt. Angenehm und Magisch. The Red Point. Pleasant and Magical.

Miniature No. 3
Красный Пункт. Приятный
и магический.
Der Rote Punkt. Angenehm und Magisch.
The Red Point. Pleasant and Magical.

Miniature No. 4, Желтый Пункт. Железный и Желанный. Der Gelbe Punkt. Eisern und Ersehnt. The Yellow Point. Iron and Welcome.

Miniature No. 4
Желтый Пункт. Железный и Желанный.
Der Gelbe Punkt. Eisern und Ersehnt.
The Yellow Point. Of Iron and Welcome.

 

Für die Miniaturen Nr. 3 Der Rote Punkt. Angenehm und Magisch und Miniatur Nr. 4 Der Gelbe Punkt. Eisern und Ersehnt hat Evgenij Kozlov ein Motiv gewählt, das er seit 1994 entwickelte und später zum Logo seines Ateliers machte. Es handelt sich um die Gestalt eines Riesen, zwischen dessen Beinen die Silhouette einer Stadt mit breitem Schattenwurf erscheint. Sein Oberkörper ist weit zur Seite gebeugt, als ob er einen Impuls auffängt, der in seinen Fäusten konzentriert ist, den Symbolen für Kraft. Unterhalb der Taille sehen wir einen kurzen Rock, wie er durch das Gürten eines Kittels entsteht. Es entspricht dem traditionellen russischen Gewand. Möglicherweise ist er der Schutzgeist der Stadt. Im unteren Bereich der Miniatur bewegt sich eine andere Figur über die Stadt. Hier sind die kreisförmigen Energiezentren nicht mehr an die Arme angesetzt, sondern über den Kopf gelagert. Wir verwendeten diese Variante für einen kleinen Auflagendruck im Hochdruckverfahren.

 Für alle weiteren Motive gibt es keine unmittelbaren Vorläufer.

 Miniature No. 5, Рай в Миниатюре. Das Paradies in Miniatur. Paradise in Miniature.
Miniature No. 5
Рай в Миниатюре.
Das Paradies in Miniatur.
Paradise in Miniature.
Miniature No. 6 Сердцу не Прикажешь. Dem Herzen kannst Du nicht befehlen. You Cannot Command your Heart. Miniature No. 6
Сердцу не Прикажешь.
Dem Herzen kannst Du nicht befehlen.
You Cannot Command your Heart.

 

Die Miniaturen 5 Das Paradies in Miniatur und 6 Dem Herzen Kannst Du Nicht Befehlen benutzen zum ersten Mal das Motiv des auf der Säule stehenden Engels, einer Säule, die sich nach unten verjüngt. Ihre Spitze ist auf die Turmspitze der Stadtsilhouette
Miniature No. 6, Сердцу не Прикажешь. Dem Herzen Kannst Du Nicht Befehlen. You cannot Command your Heart.

Miniature No. 6
Сердцу не Прикажешь.
Dem Herzen Kannst Du Nicht Befehlen.
You cannot Command your Heart.

 ausgerichtet. Damit ist die Vertikale des Bildes gesetzt. Der Übergang zwischen den beiden Spitzen befindet sich im unteren Bereich des Bildmotivs. Hier liegt der Schwerpunkt der Komposition, aus dem sich strahlenförmig das Motiv aufbaut. Unterhalb des Schwerpunktes sehen wir die Stadtsilhouette St. Petersburgs mit der markanten Spitze der Peter-und-Paul Kathedrale. Sie ist eingerahmt von einem männlichen Paar in seitlicher Ansicht. Die beiden Figuren sind im Sprung begriffen. Die Kugelfäuste liegen über der Turmspitze und bilden das Scharnier zwischen unten und oben und zusammen mit zwei dreieckigen Balken die Horizontale. Aus diesem Scharnier entspringen nach oben fünf Strahlen als langgestreckte Dreiecke. Vier der Strahlen tragen an ihrem stumpfen Ende kleine Figuren. Tänzerisch, wie Ballettfiguren, halten die Figuren auf ihren Podesten das Gleichgewicht.

 

Der mittlere der fünf Strahlen ist die bereits erwähnte Engelssäule. Sie endet im oberen Fünftel des Bildes, wo sie eine Wolke durchdringt. Aus der Säule wächst der Engel heraus; man könnte aber genauso gut sagen, dass der Säulenstrahl den Engel nach unten in die irdische Region hinein verlängert. Dieser Engel ist umgeben von sieben Engelsgefährten, die er durch Größe und Haltung dominiert.

 

Es ist ausgesprochen interessant zu sehen, wie Evgenij Kozlov die Symmetrie der Anordnung aufbricht. Linke und rechte Bildhälfte spiegeln sich nicht vollkommen, keine der Figuren wird exakt wiederholt. Das gilt auch für die Stadtsilhouette, die Ornamente und den Rahmen. Am Auffälligsten ist es bei der Engelsgruppe, wo die zentrale Engelsfigur mit einem erhobenen und einem gestreckten Flügel die himmlischen Heerscharen dirigiert, auf sich einstimmt. Von diesen hat jeder seine eigene Bewegung hat, flügelschlagend, gebeugt, mit gestreckten Flügeln. Rumpf und Flügel dieser Engel ragen aus der Wolke hervor. Unterhalb des Rumpfes sind die Figuren aus der Wolke herausgeschnitten, so dass der Bildhintergrund erscheint. Dadurch ergibt sich ein Positiv-Negativeffekt, der die Bewegung der Engelsfiguren verstärkt. Und obwohl der Schwerpunkt des Motivs am unteren Bildrand liegt, ist es die Lebendigkeit der himmlischen Versammlung, die die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht.

 Miniature No. 7, Ангел Большой Звезды. Der Engel des Großen Stern. The Angel of the Great Star.
Miniature No. 7
Ангел Большой Звезды.
Der Engel des Großen Stern.
The Angel of the Great Star.

 

 

In den Miniaturen Nr. 7 Der Engel des Großen Stern und 8 Der Himmlische Engel ist die Siegessäule doppeltes Bildmotiv. Zum einen als formatfüllende Engelsfigur über dem Großen Stern mit seinen fünf Radialen, die den fünf Straßen entsprechen, welche auf den Großen Stern zulaufen. Zum andern in kleinem Format so, wie wir sie als Denkmal kennen: mit Sockel, Säulenhalle und Säulenschaft, bekrönt vom Siegesengel.
Miniature No. 8, Ангел Не Бесный Der Himmlische Engel. The Heavenly Angel.
Miniature No. 8
Ангел Не Бесный
Der Himmlische Engel.
The Heavenly Angel.
Der große Engel balanciert das Monument auf seinem nach oben gestreckten Arm. Es ist umgeben von einem Strahlenkranz, der mit den gezackten Rändern der Flügel des großen Engels korrespondiert. Im Hintergrund ist wieder die Silhouette St. Petersburgs zu sehen.

 

Auffällig ist am großen Engel die markante Betonung des Herzens. Es ist kreisförmig aus der Figur herausgeschnitten. Wir finden solche kreisförmigen Ausschnitte sonst in den Köpfen verschiedener Figuren als Hinweis auf das Gesicht. Diese kleinen quadratischen Köpfe, die harmonisch auf den Schultern aufsetzen, sind ebenfalls von 1988.

 

Das nächste Miniaturenpaar, Nr. 9 Miniaturen im Paradies und Nr. 10 Der Spiegel der Lufterscheinung zeigt das Motiv des tanzenden Paares, das Evgenij Kozlov auf zahlreichen „kleinen“ Miniaturen verwendet hat.
Miniature No. 9, Миниатюры в Раю. Miniaturen im Paradies. Miniatures in Paradise.

Miniature No. 9
Миниатюры в Раю.
Miniaturen im Paradies.
Miniatures in Paradise.

Die Frau kickt oder beugt mit der Fußspitze die Turmspitze der Stadtsilhouette zur Seite, diese scheint aber elastisch zu sein und gleich darauf wieder zurück zu schnellen. Oberhalb der beiden Figuren befindet sich eine rotierende Sonnenscheibe, die die Bewegung aufnimmt und verstärkt.

Diese Figurengruppe nimmt ein Drittel des Bildes ein. In der Miniatur Nr. 9 befindet sie sich am oberen Bildrand. Darunter sehen wir einen nach unten stürzenden Engel mit mächtigem Gefieder, links und rechts von ionischen Säulen eingerahmt. Der Oberkörper mit seinen wie zum Schutz vor dem Fall gestreckten Armen spiegelt sich in einem Oval, vielleicht einer Wasserfläche. Diese befindet sich allerdings schon unterhalb der Säulen, also wohl unter der Erde. Das Bild des gestürzten Luzifer drängt sich auf, zumal der Engel schwarz ist. Dann wären die tanzenden Figuren ein himmlisches Paar, das seine Freude zum Ausdruck bringt.

Miniature No. 10, Зеркало Воздушного Виденья. Der Spiegel der Lufterscheinung. The mirror of the Airborne Vision.

Miniature No. 10
Зеркало Воздушного Виденья.
Der Spiegel der Lufterscheinung.
The Mirror of the Airborne Vision.

Doch der Engel zeigt im Oval gespiegelt eine andere Körperform, mit offenen, segnenden Armen.

 

Die Miniatur Nr. 10 nimmt die obere Figurengruppe, das tanzende Paar nach unten, dreht den stürzenden Engel um 180 Grad und setzt ihn darüber. Er ist hier weiß, während das tanzende Paar rot und nicht mehr gelb ist. Das tanzende Paar spielt auf der Erde bzw streckt sich nach der Sonnenscheibe. Über der Sonne beginnt die himmlische Region mit dem aufsteigenden Engel. Die oberste Schicht mit dem Spiegelungsoval ist wieder rot.

 

 Miniature No. 11, Влюбленные Огни Петродворца. Die Verliebten Feuer von Petrodvorets. The Affectionate Fires of Petrodverets.

Miniature No. 11
Влюбленные Огни Петродворца.
Die Verliebten Feuer von Petrodvorets.
The Affectionate Fires of Petrodverets.

Miniature No. 12, Женская Жизнь – Мужская Мечта. Das Weibliche Leben - Der Männliche Traum. The Female Life – the Masculine Dream.

Miniature No. 12
Женская Жизнь – Мужская Мечта.
Das Weibliche Leben - Der Männliche Traum.
Feminine Life – Masculine Dream.

Einen meditativen Charakter tragen die Miniaturen Nr. 11 Die Verliebten Feuer von Petrodvorets und Nr. 12 Das Weibliche Leben – Der Männliche Traum. Eine Kuppel auf hohen Stelzen, zu der den Künstler ein Berliner Wasserturm inspirierte, nimmt den mittleren Teil des Bildes ein. Darüber befindet sich auf Nr. 11 eine männliche Figur, die mit ihrem Körper die Kuppelform nachbildet. Eine weibliche kopfstehende Figur schließt das Motiv nach unten ab; ihre Beine tragen die Hauptsäulen des Kuppelturms. Die Miniatur Nr. 12 zeigt das Motiv horizontal und vertikal gespiegelt, so dass die Frau oben steht und der Mann unten liegt. Der Kuppelturm trennt einerseits Mann und Frau, andererseits schafft er aber auch zwischen beiden eine Spannung, die überwunden werden will. Er ist ein reales drittes Element, das in der Beziehung zwischen Mann und Frau wirkt.

 

Mit der Miniatur Nr. 13 Der Himmlische Wolkenkratzer beginnt die Abfolge der drei Einzelmotive. Diese Miniatur nimmt das Motiv der sich drehenden Sonnenscheibe wieder auf, schneidet es innen aus und setzt eine tanzende Figur hinein.

Miniature No. 13, Небесный Небоскреб. Der Himmlische Wolkenkratzer. The Celestial Skyscraper.

Miniature No. 13
Небесный Небоскреб.
Der Himmlische Wolkenkratzer.
The Celestial Skyscraper.

Wie die Figuren der Miniaturen 11 und 12 hat sie Arme wie Engelsflügel und menschliche Beine, ist also nicht eindeutig zu bestimmen. Zwei solcher Ringe gibt es. Ein dritter im unteren Drittel des Bildes trägt im Innern eine gelbe Sonne. Eine Figur wächst aus ihm heraus, eine weitere springt über ihn hinweg. Ganz unten sehen wir wieder die Silhouette St. Petersburgs. Evgenij Kozlov beschreibt diesen Zusammenhang folgendermaßen: „Im letzten Stadium, wenn der Mensch bereits als Energieform wiedergeboren wird und eine weitere Entwicklung eingeht, kommt aus diesem Ring eine Kraft heraus, die ebenfalls gelb sein wird, und die Stadt und diese Kraft werden etwas Gemeinsames haben.“ [4]

Die Ringe sind zickzackförmig übereinander gesetzt, und diese versetzte Abfolge wird durch den Einschub schwarzer Dreiecke präzisiert. Am oberen Rand ist das Motiv nicht abgeschlossen. Man kann sich vorstellen, dass sich der Himmlische Wolkenkratzer wie eine Himmelsleiter weiter nach oben aufbaut. Und auch dazu gibt es eine Aussage des Künstlers:

„Im Laufe der Zeit gelangen [die Menschen] von einem Zustand in den anderen. Es ist ein innerliches Wachstum, die Seele vervollkommnet sich und steigt höher und höher. Sie müssen dabei allmählich eine Barriere überwinden, natürlich nur, wem das gelingt. Und auf diesem Bild kann man in minimaler, in sehr gekürzter Form sehen, wie sie diese Barriere überwinden und ins Paradies gelangen.“

 

Anmutig ist Die Leichte Eva, die Nr. 14 aus dem Zyklus der Miniaturen. Eva schwebt über der Erde, die wieder durch eine Stadtsilhouette markiert ist, aber nun ganz abstrakt. Was vorher Gebäude angedeutet hat, ist zu einer Wellenformation geworden, oder besser zu einer Gebirgsformation, deren Täler zwischen unterschiedlich hohen Bergspitzen wellenförmig auf- und absteigen. Darüber und immer noch unterhalb der Eva sehen wir den Großen Stern – 5 Zacken – und die Siegessäule, ebenfalls ganz abstrakt, die sich als eckige Spirale in die Luft schraubt.

 

 Miniature No. 14, Легкая Ева. Die Leichte Eva. Light Eve.

Miniature No. 14
Легкая Ева.
Die Leichte Eva.
Light Eve.

Eva, dunkelgrün vor gelbem Hintergrund, hat auf ihrer Brust eine Aussparung in der Form eines Parallelogramms, welches mit einer seiner Spitzen nach unten zeigt: das Herz. Durch diese geometrische Öffnung des Oberkörpers können sich die Diagonalen, die in den Oberschenkeln beginnen, nach oben fortsetzen. Sie überkreuzen einander am Bauchnabel, wo sie ihrerseits überkreuzt werden durch ein in der Horizontale liegendes schmales Kreissegment: Evas Rock. Der Kreuzungspunkt am Bauchnabel ist somit der Mittelpunkt eines sechszackigen Sterns, mit einer Ausdifferenzierung durch Unterschenkel und Füße sowie Arme und Kopf. Ergänzt wird die Figur durch ein rotes Flugzeug in der oberen rechten Ecke des Bildes. Es fliegt gleichzeitig in zwei Richtungen: nach rechts oben, aus dem Bild heraus, und nach links. An seiner linken Spitze „fallen“ vier unregelmäßige rote Vierecke zum Kopf der Eva und stellen die Verbindung zur Figur her. Der Künstler bemerkte dazu, dass diese Vierrecke die Information sind, die Eva erhält, oder auch umgekehrt, die Information, die von Eva aufsteigt.

 

In der weiblichen Figur von Miniatur 1 und 2 gehört das Kreissegment des Rockes zum Bereich unterhalb der Taille. Deshalb wird in ihr der Schwerpunkt nicht aus drei, sondern aus zwei sich kreuzenden Linien gebildet. Die dritte Linie der Miniatur Nr. 14 ist es, die der Eva die Leichtigkeit verschafft: Eva hat ihren eigenen Horizont in sich gebildet. Die anderen beiden Linien werden als Bilddiagonalen durch zwei Birken verstärkt. Sie wachsen aus dem Großen Stern heraus, überkreuzen sich hinter der Eva und erreichen den oberen Rand des Bildes. Dieser genuin russische Baum hat Zweige, die an Palmen erinnern. Evgenij Kozlov bezeichnet sie als „Russische Birken auf dem Mars“. Am rechten und linken Bildrand hängt jeweils eine Birkenfrucht von den Zweigspitzen. Sie sind als weibliche Figuren dargestellt und in der Manier der chinesischen Kalligrafie aufgetragen. Mit ihrer schwungvollen, exakt sitzenden Körperform, die zu den Füßen hin in einen Schweif ausläuft, unterscheiden sie sich deutlich von den geometrisch aufgebauten Formen der übrigen Figuren. Obwohl relativ klein, sind diese Birkenfrüchte ein wesentliches Element der Komposition, grazil und voller Liebreiz.

 

Mit der Miniatur Nr. 15 Adams Mühlstein schließt der Zyklus der Miniaturen.
Miniature No. 15, Жернова Адама. Adams Mühlsteine. Adam’s Millstones.

Miniature No. 15
Жернова Адама.
Adams Mühlsteine.
Adam’s Millstones.

Adams Figur ist bildfüllend in rot vor blauem Hintergrund. Am unteren Bildrand befinden sich wieder die Wellenberge der Leichten Eva, darüber die typischen Gebäude der Stadtsilhouette Sankt Petersburgs. Adam steht mit einem Bein auf dem Wellenberg; Häuser und Türme der Stadtsilhouette sind zur Seite gedrängt. Die Spirale der Siegessäule erhebt sich in gekippter Anordnung über seinem Kopf, von den nach oben gereckten Armen eingerahmt. Diese sind ihrerseits links und rechts von zwei Kreissegmenten umgeben, welche wie die Birkenbäume auf dem Motiv der Eva gestaltet sind. Es sind schmale weiße Ringe, in die, beidseitig versetzt, vom Rand her schwarze Dreiecke ragen, mit der Spitze nach innen zeigend. Wir erkennen in der schwarz-weiß Abfolge den Aufbau der Miniatur Nr. 13 wieder (in der Nr. 14 fällt diese Gemeinsamkeit nicht unmittelbar ins Auge). Umrahmt wird diese Anordnung von einem roten Dreiviertelkreis, aus dem züngelnde Flammen schlagen. Sie erinnern an die unregelmäßige Anordnung der Blätter eines Lorbeerkranzes, und ein Siegerkranz könnte dieser Reif sein.

 

Wie die Eva besitzt Adam einen viereckigen Herzauschnitt, hier trapezförmig. Eine horizontale Betonung des Körpers gibt es jedoch nicht nicht wie bei der Eva. Im Gegenteil, die Taille des Adam ist betont durch zwei am Bildrand ansetzende halbierte fünfzackige Sterne. Während die Eva mit ihren sechs Radialen das Bildformat gewissermaßen überwölbt, hat der Adam mit der Einschnürung seiner Taille eine Sollbruchstelle, an der sich das Motiv abknicken lässt. Dann fallen Unter- und Oberkörper zur Erde, und vielleicht ist das die Schwere, die der Titel zum Ausdruck bringt.

 Miniature No. 16, E. Kozlov, Miniaturen Im Paradies Miniatures in Paradise
Miniature No. 16
E. Kozlov

Miniaturen Im Paradies Miniatures in Paradise

 

Die Miniatur Nr. 16 besteht aus dem Titel der Ausstellung, oben englisch Miniatures in Paradise, unten deutsch Miniaturen im Paradies. Dazwischen in der Vertikale die Signatur des Künstlers E. Kozlov, in lateinischen Buchstaben, geometrisch gestaltet, so wie sie der Künstler in jener Zeit als Unterschrift verwendete. Diese Signatur findet sich auch auf den anderen Miniaturen, dort am unteren Bildrand, mit Ausnahme der Nr. 15, die nicht signiert ist.

 



[4] Dieses und die folgenden aus dem russischen übersetzte Zitate von E. Kozlov stammen aus dem Film von Ingrid Molnar „Evgenij Kozlov: Miniaturen Im Paradies“, Floating Film Productions, 1995.

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