Hannelore Fobo, nach Forschungsergebnissen von Evgenij Kozlov (2009)


CHAOSE ART

 

Einführung - Seite 2

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CHAOSE ART ist die Kunst, die ohne Entwurf, ohne Planung entsteht, sich von Element zu Element, von Figur zu Figur bildet. Sie hat einen größeren oder geringeren Grad an innerer Kohärenz. Dieses Kriterium ist nicht gleichbedeutend mit größerer oder geringerer Wirkmächtigkeit des Kunstwerks. Jean-Michel Basquiats Werke sind typische CHAOSE ART - die disparaten Elemente des Bildes werden allein durch die Farbe zusammengehalten. Dennoch ist die Wirkung der Bilder ungeheuer.

Eine weitere Stufe der CHAOSE ART ist diejenige, die die einzelnen Elemente des Bildes nicht nur in formale, sondern auch in inhaltliche Beziehungen zueinander setzt. Diese Beziehungen manifestieren sich vorzugsweise in der Haltung, Gestik und Mimik der abgebildeten Figuren zueinander beziehungsweise zum Betrachter, speziell in ihrem Blick. Durch die inhaltlichen Beziehungen erhöht sich der geistige Gehalt des Bildwerkes, und im Blick ist die geistige Stimmung am präsentesten.

In der vollendeten Stufe der CHAOSE ART hat sich das Chaos selbst überwunden, ohne dass es zur Mathematik, zur Serialität wurde. Die Symphonie, der Gleichklang oder die Harmonie des Kunstwerks schließt die Dissonanz ein – das ist das sogenannte Hässliche, das einseitig Entwickelte – , und indem die Symphonie die Dissonanz beherbergt, bleibt sie selbst entwicklungsfähig und damit lebendig, denn aus der Dissonanz bezieht sie ihre Kraft. Diese Synthese  wirkt auf den Betrachter belebend. Sie ist nicht belehrend wie die Konzept-Kunst und nicht beschaulich wie der Abstraktionismus.

CHAOSE ART als dritte Kunstströmung des zwanzigsten Jahrhunderts und als hauptsächliche Strömung des einundzwanzigsten behält den intellektuellen Anspruch der Konzept-Kunst, ohne den künstlerischen Ausdruck als didaktisches Mittel zu missbrauchen, und zieht aus dem Abstraktionismus die Freiheit der reinen Farbe und der reinen Form, ohne ins Dekorative zu verflachen.

Das bedeutet, dass die Elemente, die Symbole, die der Künstler für sein Werk auswählt, findet, schafft und auf spezifische Weise anordnet, keinen chiffrierten Subtext bilden, sondern ihren Platz zuallererst aufgrund ihrer ästhetischen Beschaffenheit einnehmen; ihre ästhetische Beschaffenheit ist aber gleichzeitig ihre Bedeutung, ihre Aussage. Die Aussage wird nicht durch die Form vermittelt, sondern ist die Form selbst.

Daher ist es nicht möglich, den Inhalt eines Werkes der CHAOSE ART mit Worten zusammenzufassen. Dies zerstört eine wesentliche Eigenschaft: die Form. Man muss einen anderen Weg gehen, einen produktiven Weg. Man muss, will man einen Eindruck von einem bestimmten Werk wiedergeben, dieses nacherzählen. Man muss das Kunstwerk wie ein Bewohner bewohnen, um etwas von seiner Welt zu erfahren und über sie zu berichten, über ihren Reichtum oder gegebenenfalls ihre Banalität, kurz gesagt, ihre Verfasstheit. Bei einem Werk der CHAOSE ART sollte man sich dem Inhalt so nähern, wie sich der Filmliebhaber einem Film nähert, indem er in die atmosphärische Dichte des Werkes eintaucht.




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